Nov
9
2009

Rammstein klagen über Indizierung

Rammstein klagen über Indizierung

Das Musikbiz hat seinen Aufreger des Jahres: Rammsteins aktueller Longplayer „Liebe Ist Für Alle Da“ steht auf Rang eins der Albumcharts – und kommt auf den Index. Ein bis dato beispielloser Fall in der deutschen Hitparade. Ab übermorgen darf die Platte nicht mehr ausgestellt, beworben oder an Jugendliche unter 18 Jahre abgegeben werden. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien diagnostizierte u.a. „Darstellungen von S/M-Praktiken“. Die Berliner Band ist mit der Interpretation der Zensoren naturgemäß überhaupt nicht einverstanden: „Für wie dumm halten diese Leute eigentlich unsere Fans? Oder meinen sie im Ernst, irgendjemand sieht das als Aufruf, in den Baumarkt zu gehen, eine Rolle Stacheldraht zu kaufen und einer Frau durch den Harnkanal zu ziehen?“, fragt Keyboarder Flake in der Bild am Sonntag auf den Song „Ich Tu Dir Weh“ angesprochen. „Wir sind bestürzt“ „Wir sind erstaunt, wie viele Leute immer noch Angst vor Rammstein haben. Aber wir sind auch bestürzt. Auf dem Album ist nichts, was irgendwie missverständlicher wäre als auf anderen Rammstein-Alben.“ Drum frage sich die Band: „Warum ausgerechnet jetzt und mit diesem?“ Wahrscheinlich habe die Tochter eines Prüfers jenen zuhause mit Rammstein auf voller Lautstärke geärgert, vermutet Flake. Rammstein-Texte seien grundsätzlich „nie zu hart“, da man nur „künstlerisch verarbeite“, was in der Realität ungefiltert auf die Hörer einwirke. „In der BRD herrscht angeblich Meinungsfreiheit. Aber wenn sie so aussieht, dass Nazis unbehelligt ‚Ausländer raus‘ brüllen dürfen, aber unsere Platte aus dem Verkehr gezogen wird, dann sind wir nicht viel weitergekommen“, politisiert der Rammsteiner und befürchtet „Liebe Ist Für Alle Da“ werde nach Mittwoch „wohl für immer verschwinden“. Von Schund- und Schmutzschriften Universal dürfte mit dem von Bundesfamilienministerin und „Zensursula“ von der Leyen erfolgreich durchgebrachten Antrag ähnlich unglücklich sein – „Any press is good press“ hin oder her: Eine Indizierung zieht zuallererst sinkende Einnahmen nach sich, was kleineren Bands durchaus das Genick brechen kann. So gingen die Ärzte an den Folgen der Indizierung der Platten „Debil“ und „Die Ärzte“ 1987 finanziell fast zugrunde. Den Tanker Rammstein bringt die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, deren Vorläufer in der Weimarer Republik noch „Oberprüfstelle für Schund- und Schmutzschriften“ hieß, damit nicht zum Kentern: Sollte es keine Clean-Version des Albums geben, muss live maximal auf ein paar Tracks verzichtet werden – und selbst damit lässt sich kreativ umgehen, wie die Ärzte seinerzeit vorexerzierten.