Sep
22
2002

Peinlichkeiten aus der Pop-Provinz

Peinlichkeiten aus der Pop-Provinz

Zum elften Mal verteilte die Deutsche Phonoakademie am Donnerstagabend in Berlin ihren Schallplattenpreis an die erfolgreichsten Künstler des vergangenen Jahres. Gerne sähen die Veranstalter den Echo als „wichtigsten Musikpreis Europas“. Dass das eher Unfug ist, belegt die Tatsache, dass mit Robbie Williams, Linkin Park, D-12 und Destiny’s Child die Gewinner aus vier wichtigen Kategorien wichtigeres zu tun hatten, als diese Veranstaltung zu besuchen. So geriet der Event über weite Strecken zum Langweiler mit B-Prominenz-Besetzung. Die einzigen deutschen Popstars von internationalem Format schickten immerhin ihren Trommler, um die Auszeichnung in der Kategorie „Nu Metal/Alternative Rock national“ für Rammstein entgegen zu nehmen. Der Rest der Band zog Urlaub vor. Nicht einmal das sonst übliche Salz in der Award-Suppe, die kleinen und großen Pannen, waren lustig sondern eben einfach nur panne. Das begann bereits bei den Nominierungen: Der Schweizer DJ Bobo als bester Künstler national und das Berliner Pop-Duo Paula als beste Künstlerin! Und auf dem Event setzten sich die Peinlichkeiten fort: Alanis Morisettes Live-Performance war miserabel ausgesteuert und musste dreimal wiederholt werden! Immer wieder mischte man hektische Regieanweisungen in den Saal-Ton. Für die „großartige Stimmung“ sorgte eine Handvoll vor die Bühne gepferchter Fan-Klaqueure. Der Rest des ICCs schien mit Musikindustriepersonal in den Endvierzigern besetzt. Schlagersternchen Michelle, von der Laudatorin in die Ballermann-Ecke gedrängt, nutzte ihre Dankesrede dann auch für einen ausgiebigen Publikums-Diss. Insgesamt wirkte die Verleihung im Vergleich zu den perfekt inszenierten und durchgestylten MTV- oder Brit-Awards wie die Betriebsfeier einer halbstaatlichen Rockpopbehörde. Wenigstens der Fernsehgott hatte zwischen den Auftritten von „MC Bürgermeister“ Wowereit und CDU-Popstar Loddar Späth ein Einsehen und schenkte RTL, die die Veranstaltung zeitversetzt (und keinesfalls live, wie die blasse Moderatorin des Abends, Frauke Ludowig, glauben machen wollte) übertrugen, eine zehnminütige Tonstörung. Doch es gab auch Lichtblicke: Neben den No Angels, die als „Beste nationale Gruppe“ und für die „Beste nationale Single“ geehrt wurden, gewannen auch die Berliner HipHopReggaeInADancehallStyle-Meister von Seeed zwei Echos. Sie zeigten auch in ihrem Live-Auftritt, dass eigenständig gewachsene Bands den geklonten „Kunst“-Produkten coolnessmäßig haushoch überlegen sind. Das Highlight des Abends bildete jedoch Caterina Valente. Die 71-Jährige, ausgezeichnet für ihr Lebenswerk, hat mehr Glamour im linken Zeh als alle Popstars-Fabrikate zusammen und wurde zurecht mit stehenden Ovationen gefeiert. Die Gewinner im Einzelnen: Bester nationaler Künstler Rock/Pop: Peter Maffay Beste nationale Künstlerin Rock/Pop: Sarah Connor Beste nationale Gruppe Rock/Pop: No Angels Bester nationaler HipHop-Act: Samy Deluxe Beste nationale Dance-Single: Schiller – „Dream Of Me“ Bester internationaler Künstler Rock/Pop: Robbie Williams Beste internationale Künstlerin Rock/Pop: Dido Beste internationale Gruppe Rock/Pop: Destiny’s Child Bester internationaler HipHop-Act: D-12 Beste internationale Dance-Single: Safri Duo – „Played-A-Live“ Beste nationale Rock/Pop-Single: No Angels – „Daylight In Your Eyes“ Beste internationale Rock/Pop-Single: Enya – „Only Time“ Bester nationaler Newcomer: Seeed Bester internationaler Newcomer: Alicia Keys Bester Schlager-, Crossover-Künstler: Michelle Bester nationaler Nu Metal-Act: Rammstein Bester internationaler Nu Metal-Act: Linkin Park Bester nationaler Videoclip: Sasha – „Here She Comes Again“ Berliner Nachwuchspreis: Seeed Würdigung eines Lebenswerkes: Caterina Valente