Mar
17
2003

Monsterparty in Rottweil

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Weiträumige Absperrungen im Rottweiler Gewerbegebiet, dicke Nightliner vor dem Kraftwerk und Autokennzeichen aus der gesamten Republik: Spätestens eine Stunde vor Konzertbeginn war die Aura des Geheimnisvollen um den Auftritt der Gruppe „Nackt unter Kannibalen“ auch für Nichtwissende dahin. In Ärzte-Fankreisen wurde dagegen schon seit Wochen über nichts anderes als die zehn Secret Gigs der Berliner geredet. So fanden sich gestern in Baden-Württembergs ältester Stadt rund 500 informierte Fanclub-Mitglieder (und zahlungskräftige Ebay-User) ein, um Farin, Bela und Rod in ungewohnt geselligem Clubambiente drei volle Stunden wüten zu sehen. Pünktlich um acht beendete der neuerdings schwarz gefärbte Blondschopf Farin Urlaub die Geheimnistuerei: „Okay, wir sind gar keine italienische Punkband“. Die Entschädigung fiel erwartungsgemäß und zur Freude des Publikums sehr nostalgisch aus. Gewohnt gut aufgelegt boten die Ärzte vor allem einen detailreichen Einblick in ihre frühesten Kindertage. Oldies wie „Vollmilch“, „Wilde Mädchen“ und „Mein Teddy“ wurden euphorisch bejubelt. Auch „Mysteryland“, „Alleine In Der Nacht“ und „Ich weiß nicht ob es Liebe ist“ hört man auf regulären Ärzte-Konzerten eher selten. An der Songauswahl durften auch die Fans (mehr oder weniger) mitwirken. Farin: „Was wollt ihr hören? Hat da eben jemand ‚Popstar‘ gesagt?“ – Bela: „Oh Nein!“ – Farin: „Oder höre ich ‚Teenagerliebe‘?“ – Bela: „Schon besser, Hauptsache nicht dieses Scheißlied!“ Lennon-Witwe Yoko Ono wurde für ihr Friedensengagement gewürdigt, was man ja nicht erwarten konnte „von so ‚ner alten Milliardärsschrippe“ (Farin). Dazwischen gabs einige Kracher der limitierten „Bullenstaat“-EP wie „McDonalds“ oder „West Berlin“ sowie den unveröffentlichten Oldie „Die Ärzte“. Zum Running Gag des Abends avancierte die unsägliche Panflöten-Melodie eines gewissen George Zamphir, die nach der Hälfte des Gigs in jedem zweiten Song verwurstet wurde. Im Zugabenteil erschienen die Berliner mit Stirnband, um den Dire Straits-Klassiker „Sultans Of Swing“ stilecht anzustimmen. „Monsterparty“ vom jüngsten „Unplugged“-Album fasste das Spektakel des Abends schließlich schön zusammen, und eine italienische Version von „Gute Nacht“ zog zumindest für wenige Minuten die Verbindung zum gewählten Inkognito-Namen. Ab Montag befinden sich Die Ärzte wieder im Studio, um an ihrem neuen Album weiter zu arbeiten, das im Sommer erscheinen soll. Eine ganz offizielle Ärzte-Tournee ist für Dezember geplant.