Nov
7
2005

Lemmy für Heroinfreigabe

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Einen nicht alltäglichen Auftritt absolvierte Motörheads Frontmann Lemmy Kilmister gestern in Cardiff: Im walisischen Parlament diskutierte er mit konservativen Abgeordneten über den Kampf gegen Drogen. Der Abgeordnete William Graham begründete die Einladung damit, dass gerade junge Menschen Lemmy Kilmister eher Gehör schenken würden als einem allgemeinen Kommitee. Auf ihn aufmerksam wurde der Politiker nach der TV-Ausstrahlung einer Motörhead-Dokumentation. Kilmister sprach sich bereits dort entschieden gegen Heroin aus. Danach war es nur ein kleiner Schritt zur Allianz von Rocker und Politiker, die nun gemeinsam die Antidrogen-Kampagne der Regierung unterstützen. Lemmy ließ es sich natürlich nicht nehmen, einen besonderen Vorschlag zu machen. Seiner Ansicht nach liegt der beste Weg, um den Missbrauch zu bekämpfen, in der Freigabe der Droge. Lemmy dazu: „Ich hasse die Idee, aber ich glaube, das ist der einzige Weg, die Probleme mit Heroin in den Griff zu kriegen.“ Denn bei möglicher Freigabe auf Rezept erwartet der Sänger auch einen Schlag gegen das organisierte Verbrechen: „Wenn es Heroin legal auf Rezept gäbe, dann würden mindestens zwei Drittel der Dealer verschwinden, und man wüsste, wer das Zeug nimmt.“ Verständlicherweise fanden Lemmys Gedanken bei den konservativen Abgeordneten nicht unbedingt ungeteilte Zustimmung. William Graham bemerkte, dass Lemmy mit seinen Gedanken sicher alternative Wege aufzeige, doch die Botschaft des Parlaments sei eindeutig und zielt auf ein Leben ohne Drogen. Die Politiker setzen eher auf eine Entkriminalisierung betroffener Personen, als eine Legalisierung in Erwägung zu ziehen. Lemmy berichtete von seinen Erfahrungen in der Drogenszene. Er persönlich habe niemals Heroin genommen. Doch einige Freunde und Bekannte machte das Rauschgift zu völlig anderen Menschen. „Das Heroin verwandelte sie in Lügner und Diebe.“ Einmal lebte er mit einer jungen Frau zusammen, die nur aus Neugierde Heroin ausprobierte – und musste miterleben, wie diese Lebensgefährtin drei Jahre später starb. Der Sänger kritisierte auch die Tory-Politiker, die er auf dem falschen Weg sieht. Deren einziges Mittel sei es in der Vergangenheit gewesen, schärfere und noch schärfere Gesetze zu erlassen, ohne dass sie das Drogenproblem dadurch in den Griff bekommen hätten: „Auf den Straßen ist heute mehr Heroin zu bekommen, als es früher jemals möglich war“. Bahnbrechende Änderungen in der Behandlung der Drogenproblematik sind nach diesem Zusammentreffen sicher nicht zu erwarten. Doch bleibt die erfreuliche Tatsache, dass auch Politiker sich ernsthaft um neue Dialogmöglichkeiten zu einem ernsten Thema bemühen.