Apr
24
2007

Listening Session mit neuer Freundin

Listening Session mit neuer Freundin

Marilyn Manson ist nicht irgendjemand. Während die Arctic Monkeys vor kurzem noch in eine Bar einluden, in der die Management-Abgesandten den Journalisten drei Getränke-Bons in die Hand drückten und den CD-Player anschmissen, wird für Manson gleich eine komplette Villa im Berliner Nobelviertel Grunewald umdekoriert. Bei der Albumvorstellung am Freitag reicht man, umgeben von ausgestopften Dachsen und blutbeschmierten Wänden, Sekt, Bier und Cranberry-Wodka. Ganz klar: das hier ist die Champions League. Mit Millionen verkaufter Platten im Rücken kann man sich so etwas ja schließlich auch mal leisten. Mit Ankündigung geht eine Tür auf und der Star des Abends – der mit weißer Katze auf dem Arm übrigens auch ein Gemälde an der Wand ziert – betritt den Raum. Mit seinem langen Ledermantel und den klobigen Schuhen wirkt Manson für seine Verhältnisse zwar recht leger, sein Gesicht ist aber natürlich komplett weiß geschminkt und die Haare perfekt gestylt. Alles andere wäre Hochverrat an seiner Figur. „Eat Me, Drink Me“ ist eine Kollaboration von Marilyn Manson und dem Schweden Tim Sköld, der seit 2002 Mitglied von Mansons Band ist und damals Twiggy Ramirez ersetzte, der ja bekanntlich inzwischen bei A Perfect Circle in die Saiten haut. Das Resultat dieser Zusammenarbeit ist zu Beginn der Platte erstaunlich mainstreamig und lange nicht so extrem wie man das (auch) von ihm gewöhnt ist. Der lässig abgehangene und tolle Opener „If I Was Your Vampire“ entstand, wie in der ersten Textzeile angedeutet, an Weihnachten um 6 Uhr morgens und war so etwas wie der Startschuss für das Album, wie Manson in einer kurzen Einführung verrät. Nach vier Songs und einigen überraschenden Prog-Rock-Ausflügen erscheint der Meister ein zweites Mal. Im Schlepptau hat er seine neue Freundin Evan Rachel Wood, die die Nachfolge von Promi-Stripperin Dita Von Teese angetreten hat. An diesem Abend hat sie zwar keine andere Funktion, als sich wortlos der versammelten Journaille zu präsentieren und sich eine rote Sonnenbrille aufzusetzen. Auf Brian Warner, wie Manson im wirklichen Leben heißt, scheint die Dame aber einen bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben. Nach der Trennung von Dita sah sich der selbst ernannte „God Of Fuck“ als ausgebranntes Wrack, das noch nicht mal im Stande war, sich umzubringen: „… und das wäre wenigstens ein Ziel in meinem Leben gewesen.“ Seine neue und blutjunge Flamme habe ihm dann aber geholfen, die Macht der Romantik wieder schätzen zu lernen. Entsprechend wird Wood dann in Mansons Ausführungen, die nicht selten etwas zu auswendig gelernt klingen, regelrecht abgefeiert, während er mit Von Teese lieber auf seiner neuen Platte abrechnet. In einem dicken Ledersessel arbeitet Manson daran, seine neue Romanze als „Wir Gegen Den Rest Der Welt“-Beziehung zu inszenieren. Vor kurzem beschrieb er die gerade mal 19-Jährige ? und damit nach amerikanischen Recht noch nicht einmal volljährige – Wood in den Schlagzeilen noch als sein passendes Gegenstück. An diesem Abend geht er noch weiter und verweist auf legendäre Außenseiter-Filme wie „Bonnie & Clyde“ oder „True Romance“, die ihn in letzter Zeit beeindruckt haben. Evan Rachel Wood lächelt dabei etwas scheu, während Manson weiter munter aus dem privaten Nähkästchen plaudert und detailreich beschreibt, wie er mit ihrer Hilfe wieder zurück zu sich selbst fand und diese Wiederauferstehung als kreatives Potenzial nutzte. Auf „Eat Me, Drink Me“ kommt diese neu geschöpfte Kreativität aber leider kaum zur Geltung. Das ist mehr als schade, denn Manson beginnt gut und hat mit dem eingängigen „Heart-Shaped Glass (When The Heart Guides The Hand)“ eine der besten Singles seines Schaffens in Petto. Doch trotz der extrem rauhen Produktion und einem Überangebot an Gitarren-Soli wirkt sein Industrial-Mainstream-Rock zu abgenutzt. Vorsichtshalber nimmt Manson noch allen Kritikern, die den Albumtitel in Zusammenhang mit dem deutschen „Kannibalen von Rothenburg“ setzen, den Wind aus den Segeln. Er habe nur eine Dokumentation über den Fall gesehen und sei davon natürlich auch sehr beeindruckt gewesen. Einen allzu großen Einfluss auf die Entstehung des Albums habe die Tat aber nicht gehabt, versichert Manson. Trotz allem Brimborium und Skandalen wird den anwesenden Journalisten an diesem Abend wieder schonungslos vorgeführt, dass Marilyn Manson seit seinem Klassiker „Mechanical Animals“ musikalisch kaum mehr etwas gerissen hat. Längst ist er schon mehr für seine Person und seine privaten Exzesse berühmt und respektiert, denn als Musiker.