Nov
30
2007

Rassismus-Eklat mit dem NME

readmore_rock_RN219832_v1

Sänger Morrissey und der britische NME werden in diesem Leben wohl keine Freunde mehr. Im Rahmen einer Coverstory gab der mittlerweile in Rom lebende Brite dem Wochenblatt ein Interview, das nun erheblichen Wirbel verursacht. Grund ist eine Aussage des Sängers bezüglich der Immigrationspolitik der britischen Regierung. Auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, einmal wieder in seine alte Heimat zu ziehen, soll Morrissey folgendes gesagt haben: „Schwer zu sagen, denn England ist ein wirklich furchtbarer Platz, was Einwanderung betrifft. Ich habe beileibe nichts gegen Ausländer, aber je größer die Einwanderungswelle ist, desto mehr verschwindet die britische Identität. Wenn du nach Deutschland gehst, besteht keinen Zweifel daran, wo du bist. Wenn du nach Schweden gehst, ebenso wenig. Wenn du aber nach England kommst, hast du keine Ahnung, wo du bist. Laufe durch Knightsbridge (große U-Bahn-Station in London) und du kriegst jeden Akzent zu hören, außer dem britischen.“ Bereits Tage vor der offiziellen Veröffentlichung am heutigen Donnerstag, entbrannte daraufhin ein Streit zwischen dem NME-Chef und Morrisseys Management. Sprecher des Sängers verurteilten die abgedruckten Aussagen im „eNeMEy“ aufs Schärfste, forderten einen Auslieferungsstopp des Hefts und gehen nun gerichtlich gegen das Blatt vor, nachdem eine geforderte Gegendarstellung nicht fristgemäß erfolgte. Die Darstellung der gesamten Story, die ursprünglich im Rahmen der NME-Kampagne „Love Music Hate Racism“ erscheinen sollte, sei einseitig und verleumderisch. Es sei bewusst darauf verzichtet worden, im Zusammenhang antirassistische Morrissey-Songs wie „Irish Blood, English Heart“ oder „America Is Not The World“ zu erwähnen. Die Redaktion habe einzig und allein die Auflagensteigerung im Visier gehabt, der auch die Cover-Headline „Big Mouth Strikes Again: Morrisseys umstrittenstes Interview“ geschuldet ist. „Der Text liest sich wie eine zynische Abrechnung irgend eines NME-Redakteurs, der einzig darauf aus ist, mittels einer armseligen und grundfalschen Charakterbeschreibung in die Geschichtsbücher einzugehen. Dabei weiß doch jeder: Nicht der NME spricht für die Leser, sondern die Künstler“, echauffiert sich Morrisseys Seite. Diese Sichtweise wird vom NME-Autor des Morrissey-Interviews zum Teil gestützt. Die veröffentlichte Version sei nicht identisch mit seinem Text, behauptet der Journalist, der den NME-Chef daraufhin bat, seinen Namen unter dem Artikel zu entfernen. Die NME-Seite weist den Rassismus-Vorwurf von sich und lässt zur Sache verlauten: „Die Story ist fair und ausgewogen. Morrisseys unangemessene Statements zum Thema Einwanderung sind in Zeiten großer Spannungen einfach nicht hilfreich.“ Die Credits unter dem Text lauten nun: „Interview: Tim Jonze, Words: NME“. Es ist nicht das erste Mal, dass der Ex-Frontmann der 80er-Band The Smiths und das Blatt aneinander geraten. 1992 spielte Morrissey im Vorprogramm von Madness und betrat zum Song „The National Front Disco“ in einen Union Jack gehüllt die Bühne – eine in der Prä-Britpop-Ära undenkbare Geste. In der Folge brandmarkt ihn der NME als Sympathisant der rechtsextremen Partei National Front. Bei all dem Trubel geht die eigentlich positive Nachricht unter, dass der hemmungslose Nostalgiker für sein neues Album mit Polydor/Decca wieder eine stylishe Labelheimat gefunden hat. Auf dem britischen Decca-Label erschien 1942 mit „White Christmas“ von Bing Crosby die meist verkaufte Single aller Zeiten und in den 60ern Songs der Ronettes, Ike und Tina Turner und der Rolling Stones.