May
15
2008

Memoiren eines Ur-Punkrockers

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Dreißig Jahre ist es her, dass die stürmische erste Welle des Punk in Großbritannien auslief. Nun hat mit Bertie Marshall einer der Protagonisten der ersten Stunde seine Erinnerungen zu Papier gebracht. Im schlicht nach seinem Pseudonym aus dieser Zeit „Berlin Bromley“ (Ventil Verlag, 170 Seiten, ?11,80) benannten Buch erzählt er recht schonungslos von der Hemmungslosigkeit, aber auch von der Selbstzerstörungswut jener Zeit. Der Spitzname ergab sich für Marshall aus der Faszination für das Berlin der Zwanziger Jahre, das in Filmen wie „Cabaret“ mit Liza Minelli popularisiert wurde. Hinzu kam einfach der Name des Londoner Außenbezirks, in dem er aufwuchs. Doch Berlin Bromley war mehr als nur ein Alter Ego, es wurde über die Zeit eine Kunstperson, mit der sich Bertie immer mehr identifizierte. Zusammen mit gleichgesinnten Außenseitern stellte Berlin die ersten Punks dar. Die Journalistin Caroline Coon vom Melody Maker gab dieser Gruppe den Namen Bromley Contingent, ebenfalls nach ihrer Herkunft. Bekannte Mitglieder dieser frühen Sex Pistols-Anhänger waren die Sängerin Siouxsie Sioux, ihr späteres Bandmitglied Steve Severin sowie Billy Idol und die berüchtigte Sex-Shop-Angestellte Jordan. In „Berlin Bromley“ erzählt Bertie Marshall, wie er sich in besagte Kunstperson verwandelte, um der Vorstadt-Tristesse zu entkommen. Und wie er ihr dank des Rauswurfs aus dem Elternhaus dann auch entkam. Ungeschminkt beschreibt er sein Leben, den Drogenkonsum, den Sex, offen spricht er über seine Homosexualität und darüber, dass er anschaffen ging, um seinen Lebensstil zu finanzieren. Und wie er trotz der Rückverwandelung in Bertie Marshall immer auf der Suche nach sich selbst blieb. Für Außenstehende erstaunlich ist die scheinbar fehlende Distanz zwischen Musikern und „normalen“ Szenegängern der damaligen Zeit. Interessant ist dabei zu beobachten, wie bewusst sich Marshall seiner Rolle als Urpunk ist und wie feindlich er jenen gegenüber steht, die nach der Kommerzialisierung von Punk auf den Zug aufgesprungen sind. Dabei gibt er im Buch eine sehr einfache und einleuchtende Definition des frühen Punkismus: „Man musste nichts tun, man musste nur ‚sein‘. Image ist alles.“ „Berlin Bromley“ ist flüssig zu lesen, leider ist es dennoch nicht übermäßig gut geschrieben. Oder einfach nicht übermäßig gut übersetzt. Dennoch stellen die Memoiren als Dokument einen wichtigen und interessanten Beitrag zur Aufarbeitung der Frühzeit des Punk dar.