Nov
28
2008

Die Erlösung von Brian „Head“ Welch

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Drogensumpf, Alkoholexzesse, holterdipolter ein Rockstar werden. Rausch um Rausch, erster Entzug, zweiter Entzug, wieder Drogensumpf und Alkoholexzesse, immer noch ein Rockstar sein. Rock’n’Roll! Das kennt man schon, ein Thema der 90er. Rauschgiftkarrieren und Selbstmordgedanken diverser Megastars interessieren keine Sau mehr, ist ja doch immer das Gleiche. Doch diesmal liegen die Dinge anders. Diesmal spielt Jesus Christus, unser Herr, das verführerische Rockstarleben inklusive Prestige und Weibsbildern locker an die Wand. Gottes Hand legt das bessere Blatt und sticht Speed, Xanax, Kokain und Vicodin wissend lächelnd aus. Am Ende lebt Brian „Head“ Welch happily ever after. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg. Den zeichnet Korns Gründungsmitglied, mittlerweile Ex-Lead-Gitarrist der Nu Metaller, in seiner Autobiographie „Rette mich vor mir selbst. Warum ich Gott fand und Korn hinschmiß“ (Übersetzung von Mike Borrink, J.P. Jeske/Mader, 208 Seiten) erbarmungslos ehrlich und sprachlich überraschend unästhetisch in zwei Abschnitten nach. Teil I („Durch die Hölle und zurück“) und Teil II („Himmel auf Erden“) stückelt er nochmals in zwölf Kapitel. Die Zwölf ist eine alte Bekannte des Christentums, gern gesehen als heilige Zahl der Begegnung mit Gott. Das Ziel der Reise steht also fest, die Frage ist nur: Wie dort ankommen? Head erklärt glaubwürdig, ausführlich und unmittelbar seine Verzweiflung, seine Probleme mit wahlweise Fieldy, Munky oder seinen Partnerinnen, seine Unfähigkeit zu leben, seine Sorge um seine Tochter Jennea. Der Mann: ein Wrack, von Anfang an. Es folgt ein auszehrender Kampf, der im Wendepunkt seines Lebens gipfelt: Satan und Gott messen ihre Kräfte im Kampf um Head. Mit den Worten „Lass mich gehen, Satan!“ kauft der seine Seele vom dunklen Fürst zurück und schenkt sie seiem Befreier Gott. Ab diesem Moment regiert das Wort Gottes, sowohl im Buch ? das ab Teil II übersät mit Bibelstellen ist ? als auch in Heads Kopf: Gott spricht mit Head, gibt ihm Aufgaben, sagt ihm konkret, was zu tun ist. In einer freien Welt, in der die Sklaverei als ad acta gelegt gilt, trifft solch metaphysische Fremdbestimmung natürlich auf Widerwillen. Folgerichtig wirkt Brians Lebensgeschichte auf den nicht bibelfest Gläubigen etwas zäh und absonderlich, wenn Brian die Zungensprache erlernt, um die Kommunikation mit Gott zu perfektionieren. Oder im Jordan wiedergeboren wird. Oder Kannibalen in Indien missioniert. Bezeichnend für eine gewisse parodistische Komik auch hier: „Tatsächlich hatte ich sogar genug Kraft, meine Kamera herauszuholen und zu fotografieren, während ich das Speed in die Toilette schüttete.“ Das entsprechende Foto gibts, neben vielen weiteren, in der Buchmitte zu bestaunen. Der Leser mag sich denken: „WTF?! Du kommst von der ganzen Scheiße los und brauchst die Kamera zu Zwecken der Dokumentation?“ Eine gewisse Medienaffinität kann man Head ohnehin nicht absprechen, waren bei seiner Taufe doch 10.000 Menschen inklusive sein ständiger Begleiter, das MTV-Kamerateam, dabei. Aber hey, kein Problem. Genau diese überladene Inszenierung hat ihr Gutes: Wie Head im Prolog selbst betont, geht es ihm vor allem darum, „als abschreckendes Beispiel andere Menschen vor der Selbstzerstörung zu bewahren.“ Wie viele Selbstmordgefährdete er damit rettet, bleibt abzuwarten. Empfehlen kann man die Biographie vor allem Korn-Fans, die schon lange auf eine Erklärung für Heads überstürzten Ausstieg 2005 warten. Auch überzeugte Christen können den eigenen Glauben anhand des Buches wunderbar bestätigen (so lange sie sich nicht daran stören, dass Brian konsequent Gott und Jesus gleichsetzt). Für alle anderen: Informationswert hoch, Unterhaltungswert noch viel höher. Auf lyrische Schönheit muss man jedoch verzichten.