Der erste Eindruck beim Prelistening zum neuen Album von Green Day im Hause Warner Music war eine Überraschung, die eigentlich keine mehr war: Schon im Herbst vergangenen Jahres ging die Info durch die Medien, dass bei „21st Century Breakdown“ Butch Vig als Produzent fungieren würde. Dass sich dieser Wechsel (alle Vorgängeralben bis auf „Warning“ wurden von Rob Cavallo produziert) für einen großen Rockact mit Punkrock-Attitüde als weise Wahl herausstellt, beweisen bereits die ersten Akkorde des Albums: Wütend, rau und ungeschliffen kommen sie daher, die neuen Songs, ohne dabei an Größe im Sound zu verlieren ? eine Qualität von Vig, die Bands wie Sonic Youth, Nirvana und die Smashing Pumpkins großgemacht hat. Die Spuren der Produzentenhand im Klangbild sind entsprechend deutlich. Der Anfang des Albumopeners vermittelt zwar kurzzeitig den Eindruck, man hätte sich in der Tür geirrt (1:1 The Hives), aber schnell wird klar: Das hier ist tatsächlich Punk. Verzerrter Gesang und roher Sound vermitteln das Gefühl eines Albums, mit dem die Band nicht auf Nummer sicher gehen möchte. Einen chartstauglichen Singalong-Refrain sucht man bei „Horseshoes And Handgrenades“ vergebens. „Know Your Enemy“ ist ebenfalls recht ruppig geraten und überraschenderweise die erste Single-Auskopplung. Kitschpop und Riotfeeling Aber Green Day wären nicht Green Day, wüssten sie ihr Gespür für Ohrwurmharmonien nicht zu nutzen. Ab dem dritten Titel nimmt der Popfaktor deutlich zu, ob im Intro auf der Akustikgitarre („Before The Lobotomy“), bei den recht schmalzig geratenen Einlagen auf dem Klimperkasten oder der flotteren Punkrocknummer „Murder City“ ? hier folgt Hookline auf Hookline, und an einigen Stellen erwächst ein auffälliger Kontrast zwischen kitschigem Pop und schmutzigem Riot-Feeling. Ein schmaler Grat, auf dem sich Green Day hier bewegen, aber es funktioniert in seiner Gesamtheit überraschend gut. Nicht zuletzt weil an diversen Stellen die zeitlosen Einflüsse alter Helden durchblitzen. Ob The Clash, Beach Boys („The Static Age“) oder Paul McCartney („Restless Heart Syndrome“), ob Singer/Songwriter, Gospel oder ? natürlich! ? Punk, hier wird vieles Großes zu neuem Großem verarbeitet. Einen fulminanten Abschluss des Albums bildet der Titeltrack, der einmal mehr klarstellt, warum diese Band so erfolgreich ist: Hier wird ein ganz großes Poppunk-Feuerwerk abgefackelt ? laut, harmonisch, offensiv und mit einer Hookline, die ihresgleichen sucht. Erstaunlicherweise ist es trotzdem ein anderer Song, der sich längerfristig in die Gehörgang fräst und auf dem Weg nach Hause noch immer präsent ist: die genannte Single „Know Your Enemy“. Muss aller Roughness zum Trotz was dran sein, an der Nummer.
Mar
27
2009