Die steilsten Gratistracks aus Pop, Rock, Hip Hop, Elektro. Diese Woche unter anderem mit Dub-Superopa Lee „Scratch“ Perry und Passion Pit, den Indie-Sommerhit-Aspiranten Nummer eins. Kleerup – Longing For Lullabies (John Dahlbäck Remix) (aus „Kleerup“, EMI) Man könnte zynisch behaupten, Kleerup habe sein Debüt im Baukasten-Prinzip zusammengeschraubt: ein bisschen am Notebook basteln, ab und an mal im Studio abhängen, dabei gelegentlich bei Röyksopp, The Knife und Artverwandten kopieren – und vor allen Dingen seine Kontakte spielen lassen, damit man auch mit Gast-Features von u.a. Lykke Li und Robyn auftrumpfen kann. Letztere Kooperation hat dem Schweden im UK vor zwei Jahren einen Nummer-Eins-Hit beschert. Was Andreas Kleerup vorlegt, ist lupenreiner Sound von jemandem, der anscheinend Kraftwerk gleichermaßen wie Abba verehrt, aber trotzdem unglaublich up-to-date klingen möchte. Der Legende nach hat der Mann bereits Erfahrungen mit einer Thrash-Metal-Band und einem Symphonieorchester gesammelt. Beides ist nicht unbedingt herauszuhören. Kleerup steht für glitzernernen Pop, der glückliche und eher düstere Momente bietet, sowohl Club- wie radiotauglich. Die Symbiose von beiden Aspekten wird beispielsweise im hier verlinkten Remix von John Dahlbäck geboten. Tonspion-Tracks rotieren auch auf laut.fm/eins, der ersten Adresse für das beste von heute und das erste von morgen. Passion Pit – Moth’s Wings (aus „Manners“, Sony Music) Die Ankedote um „Chunk Of Chance“, die Debüt-EP der Band aus Massachusetts, besagt, sie sei ein Valtentinstagsgeschenk des Sängers an seine heutige Freundin gewesen – er habe ihr Herz damit erobert. Abgesehen davon hat die Band damit auch einige Anhänger gewonnen. Der Track „Sleepyhead“ schaffte es sogleich in verschiedene Commercials, erschloss sich Aufmerksamkeit und den Zugang in die Blogosphäre. Und in der Tat, Passion Pit – die angeblich mit MGMT befreundet sind, denen sie stilistisch durchaus gleichen – heben sich schon nach kurzen Hörproben von der Konkurrenz ab: Ihr Sound ist dicht, sie spielen mit Loops und Samples, aber sie vergessen dabei nie die knallige Hookline. So brilliert das voraussichtlich Ende Mai erscheinende Album „Manners“ mit versponnenem Tagträumer-Pop irgendwo zwischen TV On The Radio und Empire Of The Sun, der vor der Clubtür keineswegs halt macht. Die Aufregung in der Blogosphäre war diesmal jeden Klick wert. Dinosaur Jr. – I Want You To Know (aus „Farm“, Pias) „Beyond“ war für sich genommen ja schon eine überraschend gute Sache. Denn für eine Wiederbelebung dieses alten Indierock-Fossils klangen Dinosaur Jr. erstaunlich unmodern und eher so, wie man sie früher schon liebte. Nun erscheint das fünfte Album im ursprünglichen Line-up und beweist: Man ist eben immer nur so alt, wie man spielt. „Farm“ klingt nicht nach senilen Rockrentnern, sondern nach diesen schluffigen Indierock-Haken von damals. Ewig lange, aber kurzweilige und unnachahmliche Gitarren-Soli, gequälter Nuschel-Gesang, rumpelndes Schepper-Schlagzeug und Lou Barlows Bass in der Statistenrolle – wenn „Beyond“ das Werk war, auf dem sich die grauen Herren erst einmal wieder aneinander gewöhnen und an ihre guten alten Zeiten erinnern mussten, kann man „Farm“ als Ankunft in dieser großen Vergangenheit bezeichnen. Als wäre nichts geschehen: „You’re Living All Over Me“. Camera Obscura – My Maudlin Career (aus „My Maudlin Career“, 4AD) „My Maudlin Career“ ist das vierte Album der Schotten. Mit seinen zuckersüßen Streichern, der bis in die letzte Nuance abgestimmten Harmonie und der bezirzenden Stimme ihrer Sängerin geht es als Soundtrack für den Frühling durch. Pop für Ästheten, die Schönheit daran messen, dass sie keine Ecken und Kanten haben darf. Aber der Grat zwischen Perfektion und Gefälligkeit ist manchmal äußerst schmal. Das ein oder andere Motiv – ein kindliches Glockenspiel, ein berechenbares Streicher-Arrangement – führt bisweilen dazu, dass die Leichtigkeit ihres Sounds in eine gewisse Seichtigkeit mündet. Nichtsdestotrotz ist Camera Obscura ein im wahrsten Sinne des Wortes schönes Album gelungen. Musik für einen unbekümmerten Sonntagmorgenspaziergang, wenn sich die ersten Sonnenstrahlen auf den frisch ergrünten Blättern spiegeln. The Sounds – Dorchester Hotel (aus „Crossing The Rubicon“, Original Signal) Ist Schwedenrock eigentlich ein Schimpfwort? The Sounds kommen aus Schweden, machen Rockmusik, aber klingen eben das bisschen anders, das es bedarf, um das nordische Gitarren-Klischee zu widerlegen. Insbesondere ihr zweites Album schmückte sich mit viel Synthie-Glam – bestmöglich zelebriert vom aparten Äußeren der Sängerin Maja Ivarsson. Aber irgendwie wurde es dann ziemlich schnell ruhig um die Band. Ihr gelang es nicht, sich im Kreise von The Killers, Gossip oder The Bravery zu behaupten. „Crossing The Rubicon“ soll genau das nun ändern – auch wenn es auf die bewährten Stilmittel setzt: Hey, it’s only Rock’n’Roll, der mit dem Pop ins Bett steigt, um einen Hit zu landen. Genau auf diese sexy Liaison macht „Dorchester Hotel“ – das Vorspiel zum kommenden Album – jetzt schon gespannt. Faze Action – Venus And Mars (aus „Stratur Energy“, Faze Action) Volle Breitseite geben uns Faze Action mit ihrem Disco-Sternenkreuzer. Ein Bombardement aus Kitsch, Streichern, Kuhglocken und zuckersüßen Sounds, die so retro sind, dass es weh tut, zerschneiden die Luft und lassen die Nebel Andromedas ganz blass aussehen. „Stratus Energy“ ist dabei ein Album wie Kaugummi: am Anfang großartig, mit der Zeit aber immer zäher und geschmackloser bis man ihn schließlich ausspuckt. Trotzdem: die Eier muss man haben, mit denen Faze Action ihr Retroding gnadenlos durchziehen. Vor allem wenn man seit mehr als zehn Jahren discoiden Sounds die Stange hält und dafür Ende der 90er Jahre noch belächelt wurde. Mit ihrem aktuellen Entwurf liefern Faze Action das Lächeln und Kopfschütteln gleich mit. Denn spätestens bei „Venus And Mars“ ist man bereit, dem Brüderpaar zu folgen, dabei warten im Anschluß noch intergalaktische Reise mit dem „Starship“ nach „Danae“ und „Stratus“, bevor der „Disco Warrior“ kommt. Im besten Falle ist das dann Camp. Dubblestandart – I Foo China (feat. Lee „Scratch“ Perry) (aus „Return From Planet Dub“, Collision – Cause Of Chapter 3) Zwischen Genie und Wahnsinn pendelt Lee „Scratch“ Perry, seit sein Black Ark-Studio niederbrannte bzw. von ihm selbst in Brand gesteckt wurde, so ganz sind die wahren Umstände nie ans Licht gekommen. Inzwischen hat der Jamaikaner, der fast ebenso viele Alben veröffentlicht wie Lebensjahre auf dem Buckel hat, sein Glück in der Schweiz gefunden, und sendet von dort aus seine wunderlichen Botschaften in die Welt. Auf „Return From Planet Dub“ wird er unterstützt von der österreichischen Dub-Institution Dubblestandart, die es sich nicht hat nehmen lassen, einige der größten Hits von Perry mit dem Meister gemeinsam einzuspielen. Vieles auf dem Album klingt, als hätten sich alle Beteiligten bei Adrian Sherwood im legendären On-U-Sound-Studio getroffen. So gelingt Dubblestandart mit „Return From Planet Dub“ ein Album, das die Vergangenheit des Dub bewahrt, ohne dabei vor den beteiligten großen Namen in die Knie zu gehen.
May
8
2009