In den vergangenen vier Jahren führte jeweils der Sieger des Casting-Formats „X-Factor“ die viel beachteten britischen Charts der Weihnachtswoche an. Kein Wunder, liegt doch das Finale der Talent-Show alle Jahre wieder günstig im Vorfeld des Fests der Liebe. Musikfans wollen mit dieser Tradition nun brechen: Statt des diesjährigen Gewinners Joe McElderry sollen Rage Against The Machine mit ihrer Hymne „Killing In The Name“ auf dem Nr. 1-Thron Platz nehmen. Am Wochenende fällt die Entscheidung. Facebook-Nutzer brachten die Kampagne „Rage Against The X Factor“ ins Rollen, die dazu animierte, bei den Download-Plattformen des jeweiligen Vertrauens fleißig das 17 Jahre alte „Killing In The Name“ zu erwerben, um McElderrys Ballade „The Climb“ alt aussehen zu lassen. Veteranen haben die Nasen vorn Der Aufruf verhallte keineswegs ungehört. Zack de la Rocha und Co. zeigen dem neuesten Retortenkind des Casting-Zirkus‘ momentan sogar die lange Nase: BBC-Informationen zufolge verkaufte sich „Killing In The Name“ bislang über 175.000 Mal. Joe McElderry brachte es bisher lediglich auf 110.000 abgesetzte Einheiten. Dave Grohl unterstützt die Aktion Zumal Rage Against The Machine prominente Unterstützung genießen. Auch Dave Grohl (Foo Fighters, Them Crooked Vultures) bezog in einem Radiointerview mit dem Sender 96.3 Rock Radio Position: „Es gibt eine Menge Musik, bei der ich die dahinter stehende Intention in Frage stelle. Wenn sich die Leute dagegen wehren und beschließen: ‚Hey, ich hab es satt, wir lassen diese andere Sache entgleisen für etwas Richtiges!‘, dann bin ich voll dabei.“ Zudem halte er „Killing In The Name“ für einen „unglaublichen Song mit einer starken Botschaft“, so Grohl. „Vielleicht sehnen sich die Leute ja nach etwas wirklich Bedeutsamem?“ „Die Leute haben die Schnauze voll“ Auch RATM-Gitarrist Tom Morello freut sich über die Aufmerksamkeit, die seiner ungebrochen mächtigen Hau-drauf-Nummer frisch zuteil wird: „Die Leute haben die Schnauze voll davon, eine Schmalzballade nach der anderen serviert zu bekommen“, kommentiert er die Kampagne gegenüber der Radiostation BBC 5 Live. „Es ist eine Ehre, dass sie unseren Song als Revolutionshymne gegen das ‚X Factor‘-Monopol gewählt haben.“ Der Unterschied liegt auf der Hand Der Qualitätsunterschied zwischen den beiden Konkurrenten liegt – zumindest aus Morellos Sicht – auf der Hand: Wir haben den Song in einem runtergerockten Industrieslum in L.A. geschrieben. Den ‚X Factor‘-Song hat sich eine Horde überbezahlter Songwriter ausgedacht, mit dem einzigen Ziel, euch einen weiteren dieser Schmalzklumpen reinzudrücken, mit dem sie ihr schmieriges Business am Laufen halten.“ Herzerwärmend – oder dumm und zynisch? Die „herzerwärmende“ Aktion berge „eine wundervolle Portion Anarchie“, so Morello weiter. „Als Zuschauer einer solchen Casting-Show kannst du nur für den einen oder anderen Teilnehmer stimmen, aber nicht wirklich gegen die Sendung selbst – bis jetzt.“ Simon Cowell, Chefjuror bei „X Factor“, sieht die Dinge selbstredend ganz anders. Er bezeichnete die Kampagne als „dumm“ und „zynisch“. BBC bricht Übertragung ab „Fuck you, I won’t do what you tell me!“, bei Rage Against The Machine offenbar immer noch Programm: Entgegen anders lautender Absprachen verzichtete die Band bei der Performance des Titels im Anschluss an zitiertes Radio-Interview nicht auf die drastischen Textpassagen. Die Verantwortlichen bei der BBC brachen die Live-Zuschaltung ab.
Dec
18
2009