Alle aktuellen Bewerber auf eine freie laut.de-Autorenschaft seien gewarnt: Wer sich erst einmal eine halbe Nacht die Beine in die Achseln gestanden hat, um Flying Lotus spielen zu sehen, dafür ein vorheriges Konzert frühzeitig verlassen musste, weil der Herr Lotus für „ab 22 Uhr“ angekündigt war, dann aber doch erst gegen vier Uhr morgens auftaucht, der wird bald wissen, dass Rumhängen, Biertrinken und Abwarten allein keine chronischen Spaßbringer sind. Ohne Stagetime-Informationshoheit steht man in so einem Fall etwas verloren herum und sehnt sich Stunde für Stunde mehr zurück nach der wohltemperierten Volksbühne, in der zuvor die Greie Gut Fraktion (Gudrun Gut und Antye Greie alias AGF) den italienischen Theaterherbst eröffnet hatte (Video folgt). Ganz bestimmt fallen solche Beschwerden unter die Phantomschmerzen. An den altersbedingten Hang zu gemütlicheren Konzertabenden glauben wir Berufsjugendlichen ja erst, wenn wir nicht mehr umhinkommen, in die leere Rentenkasse zu starren. Berlinischer French Touch Angenehmer war da der Abschluss der KW41. Ganz unbedarft zur langen Kunstnacht in der Berlinischen Galerie in Mitte geschritten, sich über die vielen schicken Kunststudentinnen und -studenten amüsiert und ganz nebenbei auch noch Yelle wiedergesehen. Nimmt man gerne mit, wenn French Touch, frankophone Niedlichkeit und raviger Dancepop noch einmal eine Hochzeit feiern. Ganz ohne blöde Nostalgia. Hier zu sehen mit ausnahmsweise gemäßigt kickendem, dafür umso zuckrigerem Track: Für die Ausstellung interessierte sich da naturgemäß nur noch ein Bruchteil der Anwesenschaft. Ach, mondänes Berlin! Im Gegensatz dazu wird Joanna Newsom seit jeher als Ikone eines ganz und gar substanzvollen Avantpops rezipiert. Die Harfenmeisterin (Entschuldigung) unterfüttert das Image der Unnahbarkeit nicht zuletzt selbst, wenn sie 3-CD-Alben veröffentlicht. Harfen zu Saxophonen Um so dispensierender wirkt da das jüngste Gerücht um einen Gastauftritt der Newsom bei den Simpsons. Aufgekommen war es im Rahmen der Kollaboration zwischen der Indie-Songwriterin und Matt Groening. Der The Simpsons-Erfinder kuratierte nämlich das diesjährige All Tomorrow’s Parties-Festival in England – und nominierte Joanna Newsom als allererste ins Line-up. Leider steckt im Gerücht allerdings doch nicht genügend Substanz, wie die Amerikanerin nun richtigstellt: „Bedauerlicherweise ist die fantastische Meldung, ich hätte in einer zukünftigen Simpsons-Folge ein Cameo, unwahr. Ich bleibe jedoch ungebrochen in meiner Ehrerbietung für den Lisa-Charakter, dem ich – und ich fühle mich dafür zutiefst geehrt – in den letzten 21 Jahren meine Stimme leihen durfte – in meinen Träumen.“ Uns und ihr bleibt also nur das Joanna Newsom-Porträt, das Groening schon im Mai diesen Jahres anfertigte … „Holy shit! I’m a Simpson! I made it! I don’t need a damn Grammy or anything. That’s the sort of magic all this madness is for.“ Kindergarten my rocking Mad Hatter Ebenfalls cartoonesk geben sich mal wieder die Flaming Lips. Jetzt ausnahmsweise aber nicht auf der Bühne oder in weihnachtlichem Trashfilm, sondern auf dem Kleinstkinderkanal Nick Jr. In der treffend betitelten Sendung Yo Gabba Gabba! gaben sich in der Vergangenheit bereits die Shins, MGMT und viele andere die Indie-Klinke in die Hand, jetzt hat es auch die Oklahomaraner erwischt. Den Trailer zur Sendung vom 5.11. hostet Entertainment Weekly exklusiv. Zum Abschluss ein Winner as usual: Ok Go reißen mit ihrem aktuellen Album zwar kaum wen noch komplett um; dafür sind die dazugehörigen Clips immer wieder ein paar Hinkucker wert. Allen ADHS-Patienten sei (nicht nur) der bei den UK Music Awards doppelt preisgekrönte Clip zu „This Too Shall Pass“ („Best Video Of The Year“, „Best Rock Video“) erneut ans Herz gelegt. Wegschauen und Mama nerven geht bei der Ereignishaftigkeit eines durchschnittlichen Ok Go-Videos jedenfalls gar nicht. Berlin-Korrespondent Matthias Manthe berichtet in seiner wöchentlichen Kolumne über Themen, die wir gegen seinen ausdrücklichen Wunsch „indie“ nennen. Feedback und Anregungen gerne direkt an [email protected].
Oct
26
2010