Neben Kurt Cobain und Nirvana waren sie das Aushängeschild der wohl letzten großen Rock-Revolution. Als Pearl Jam zu Beginn der 1990er Jahre ihre Karriere begannen, wurden Alben wie „Ten“, „Vs.“ und „Vitalogy“ zu Marksteinen des Grunge.
Text: Ernst Hofacker
Als in Europa die Mauern fielen und der Ostblock implodierte, braute sich an der fernen Westküste der USA ein ganz eigener Sturm zusammen. Das Auge dieses Hurrikans war indes diesmal weder Los Angeles noch San Francisco. Im vergleichsweise beschaulichen Seattle, weit nördllich an der kanadischen Grenze, hatte sich in den späten achtziger Jahren eine Rockszene entwickelt, die sich, fernab der großen Business-Zentren, ihren ganz eigenen Reim auf die Dinge machte. Der Treibstoff für all die jungen Bands, die sich in den dortigen Clubs zusammenrotteten, waren Frust über den oberflächlichen Poser-Rock jener Jahre, der Charts und Business beherrschte, sowie Energie und Zorn des Post-Punk, der seit den Sex Pistols und The Clash von Tausenden weitgehend unbekannt gebliebener Indiebands gepflegt wurde.
Explosive Geburtsstunde mit Folgen
Als sich die Gitarristen Stone Gossard und Mike McCready, Bassist Jeff Amons, Drummer Dave Krusen und der aus San Diego stammende Frontmann Eddie Vedder zusammengefunden hatten, hockte die musikalisch wohl potenteste Formation dieser Seattle-Szene in den Startlöchern. 1991 brachte sie ihr erstes Album zustande, „Ten“, das zunächst allerdings noch nicht sonderlich viel Trubel auf dem Plattenmarkt verursachte. Erst im Windschatten von Nirvanas Welthit „Smells Like Teen Spirit“ explodierte es in die Rock-Charts, eroberte das Mainstream-Rockradio und machte Vedder & Co. innerhalb von Monaten zu hofierten Superstars mit Millionenumsätzen. Die Bilanz: drei Monsterhits („Alive“, „Even Flow“, „Jeremy“), allein in den USA bis heute gut zehn Millionen verkaufter Alben, vier MTV Video Awards für den Clip zu „Jeremy“. Und: ein gründliches Unbehagen der Band über ihren plötzlichen Star-Status und die damit verbundenen Ansprüche der Industrie.
Als 1993 das zweite Album „Vs.“ auf den Markt kam, war der Alternative Rock des Grunge-Movements bereits im Mainstream etabliert, entsprechend sahnten Pearl Jam, inzwischen mit neuem Drummer Dave Abbruzzese, ab. Insgesamt sechs Singles wurden ausgekoppelt, darunter „Daughter“, das zur ersten Nummer eins der Band in den US-Rock Charts wurde.
Still Alive
1994 wurde zum schwierigen Jahr: Die Band sagte ihre Sommertournee ab, weil sie sich nicht in der Lage sah, die Eintrittspreise unter 20 Dollar zu halten, wofür sie den Branchenmonopolisten Ticketmaster verantwortlich machte und verklagte. Es war der Beginn eines jahrelangen Rechtsstreits, der Pearl Jam als Live-Act bis auf weiteres lahmlegte. Auf dem Plattenmarkt aber blieben die aufrechten Fünf präsent. Im Dezember 1994 erschien mit „Vitalogy“ das dritte Album. Es überraschte mit düstereren und pessimistischen Tönen und deutlich rauerer Produktion. Trotz seines sperrigen Konzepts wurde „Vitalogy“ zum zweitschnellsten je in der Geschichte der USA verkauften Album – und zum dritten Instant-Klassiker der Band. Cobain war zu diesem Zeitpunkt schon tot, Nirvana Geschichte und die Seattle-Szene tot. Pearl Jam aber blieben.
Bis heute ist die letzte überlebende Band des Grunge aktiv. Nach einer Schwächeperiode in den späten Neunzigern hat sie längst zu alter Form zurückgefunden. Alben wie „Pearl Jam“ (2006) und „Backspacer“ (2009) hievten den leidenschaftlichen Hardrock ihrer frühen Jahre auf ein zeitgemäßes Level, machten Altfans glücklich und sorgten für neuen Zulauf in der Pearl-Jam-Gemeinde.
Zum 20-jährigen Bandjubiläum von Pearl Jam gab es neben den beiden Legacy Editions der Meilensteine „Vs.“ und „Vitalogy“ dieses Boxset, welches die beiden remasterten Alben sowie einen sehr raren Konzertmitschnitt aus dem Jahre 1994 enthält.
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