Das war noch Musik: Viele Rocksongs aus den 70ern und 80ern scheren sich einen Dreck um Konventionen in Struktur und Länge. Wir untersuchen drei Klassiker von Meat Loaf, Lynyrd Skynyrd und der Alex Harvey Band von der 3CD „The Long Versions: Classic Rock“, deren XXL-Format, freie Strukturen und ausufernde Soli einzigartig in der formatierten Musiklandschaft stehen und jede Menge Futter für grandiose Remixe hergeben.
Text: Chris Hauke
45 Sekunden leiert eine monotone Schleife, bis endlich die Gitarre einsetzt. Aber auch die hat es nicht sonderlich eilig, sondern baut in aller Ruhe den Song auf. Das dauert noch mal knapp zwei Minuten. Erst dann legt der Sänger los. Die Nummer entwickelt sich ohne Hast und steigert sich nur langsam in Richtung Klimax, am Grundgroove ändert sich dabei wenig. Mit zunehmender Hysterie fragt der Mann am Mikro: „Can I put my hands on you? Can I put my hands on you?“ Zwischendurch dürfen sich Gitarre und Orgel austoben. Nach über sieben Minuten verabschiedet sich der Track – natürlich mit einem üppigen Instrumentalpart. Heute als Single undenkbar, 1974 ein Hit. Wie die Sensational Alex Harvey Band auf „The Faith Healer“ lassen auch zahlreiche andere Combos in den 70er-Jahren ihrer Musikalität freien Lauf.
„Free Bird“ lässt die Gitarren fliegen
Bei den Südstaatengrößen Lynyrd Skynyrd haben ausladende Solopassagen aber auch ganz pragmatische Gründe. In ihrer Frühzeit spielt die Band teilweise mehrere Sets pro Abend. Da ist Leadsänger Ronnie Van Zant für jede Pause dankbar. Die beiden Gitarristen Gary Rossington und Allen Collins lassen sich nicht zweimal bitten und springen in die Bresche. Auf ihrem neben „Sweet Home Alabama“ populärsten Track „Free Bird“ treiben sich die beiden zu Höchstleistungen an und bestreiten vier der neun Minuten mit wilden Soloattacken. Bei Konzerten wird diese Marke gerne mal geknackt. Kein Wunder, dass die Band diesen Song immer am Ende ihres Programms spielt.
Zwei andere Künstler wählen eher den symphonischen als den solistischen Weg – und stoßen damit lange auf taube Ohren. Es dauert zwei Jahre, bis Meat Loaf und sein Songwriter Jim Steinman ihr „Bat Out Of Hell“ an den Mann bringen können. Bis dahin wird das Duo von jeder nur erdenklichen Plattenfirma abgelehnt. Keine von ihnen glaubt, dass das Musical-artige Mammutwerk auch nur irgendjemanden interessieren könnte. Die Ablehnung geht sogar so weit, dass sich Jim Steinman anhören muss, er sei als Komponist eine Niete. „Weißt du eigentlich irgendwas über das Schreiben? Wenn du Platten machen willst, müssen die Songs in Parts strukturiert sein: A, B, C, B, C, C. Bei dir ist es A, D, F, G, B, D, C. Du hast keine Ahnung, wie man einen Song schreibt.“
Meat Loaf verkauft 43 Millionen Einheiten
Diese wenig schmeichelhaften Worte gibt ihm kein Geringerer als der einstige Chef des Labels CBS, Clive Davis, mit auf den Weg. Und der Mann hat in seinem Leben immerhin Pink Floyd, Bruce Springsteen, Whitney Houston, Earth, Wind & Fire und Aerosmith entdeckt. Doch hier soll er sich irren. Wie viele andere vor ihm. 1977 wird das Album schließlich doch noch veröffentlicht – und schlägt ein wie eine Bombe. Die ausschweifenden Songs und die pompöse Produktion stören die Zuhörer weit weniger als die Plattenfirmen zuvor, im Gegenteil: Meat Loaf und Steinman treffen einen Nerv und faszinieren das Publikum mit ihrer Einzigartigkeit. Vor allem der eröffnende Titeltrack mit seinen knapp zehn Minuten Spielzeit wird schnell zu einem echten Rockklassiker. Heute ist „Bat Ouf Of Hell“ mit mehr als 43 Millionen verkauften Einheiten eines der erfolgreichsten Alben der Musikgeschichte. Nicht trotz, sondern wegen seiner langen Songs. Denn diese stecken nicht nur bei Meat Loaf, Lynyrd Skynyrd und vielen anderen Bands der goldenen Ära des Rock voller musikalischer Freiheiten, bildeten die Individualität des Künstlers ab und waren genau deshalb erfolgreich.
Classic Rock: The Long Versions
Diese besondere Compilation versammelt auf drei CDs genau jenen ausgiebigen Hörgenuss: extralange Rockklassiker sowie deren Maxi-, Live- oder Remix-Versionen. Mit 34 Krachern von Manfred Mann, Dave Stewart, Marillion, Golden Earring, Lynyrd Skynyrd, Deep Purple, Scorpions u.v.m.
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CD 1
1. Survivor: Eye Of The Tiger – Sher Gunn Remix
2. Far Corporation: Stairway To Heaven
3. Jeff Buckley: Hallelujah
4. Lynyrd Skynyrd: Free Bird
5. Cheap Trick: The Flame
6. Meat Loaf: Bat Out Of Hell
7. Bruce Hornsby: The Way It Is
8. Rick Springfield: Celebrate Youth – Dance Mix
9. Bonnie Tyler: Holding Out For A Hero – Club Mix
10. Men At Work: Down Under – Extended Mix
11. Daryl Hall: Dreamtime
12. John Farnham: You’re The Voice
CD 2
1. Manfred Mann’s Earth Band: Blinded By The Light
2. Roachford: Cuddly Toy – Extended Mix
3. Yes: Heart Of The Sunrise – Remastered LP-Version
4. Flash & The Pan: Midnight Man
5. Dave Stewart: Heart Of Stone
6. The Stranglers: Always The Sun – Hot Mix
7. The Stone Roses: She Bangs The Drums – Elephant Remix
8. The Sensational Alex Harvey Band: The Faith Healer
9. Frankie Goes To Hollywood: The Power Of Love – 12“-Version
10. Marillion: Kayleigh – Extended Version
11. Jon Anderson: Hold On To Love – Album Version
12. Starship: It’s Not Over (‘Til It’s Over) – Rock Mix
13. Europe: The Final Countdown
CD 3
1. Deep Purple: Child In Time – Live
2. David Bowie: Heroes – Live
3. Scorpions: Rock You Like A Hurricane – Live
4. Toto: Hold The Line – Live
5. Jethro Tull: Locomotive Breath – Live
6. Joe Cocker: With A Little Help From My Friends – Live
7. Uriah Heep: Salisbury
8. Golden Earring: Radar Love
9. Electric Light Orchestra: Roll Over Beethoven – 2003 Remastered Version
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