Wir erinnern uns: in Interviews im Vorfeld der Veröffentlichung des 2010er-Albums „Postcards From A Young Man“, erklärte Manic Street Preachers-Bassist Nicky Wire, das Album sei ein „letzter Versuch zur Kommunikation mit den Massen„. Zwanzig Jahre nach ihrem rebellischen Debüt für das Label Heavenly („Motown Junk„) konnte man den Eindruck gewinnen, als würde sich die größte Kultband des Vereinten Königreichs auf eine künftige Zuschauerrolle vorbereiten und den Weg für eine jüngere Generation von Emporkömmlingen frei machen, die sie vom Sockel stoßen würde, um ihren Platz einzunehmen.
Mit den beiden folgenden Zwillingsalben, die gleichzeitig aufgenommen wurden, begab sich die Band anschließend auf unbekanntes Terrain. Mit „Rewind The Film“ (2013) widmeten sie sich wie noch nie zuvor in ihrer Karriere ihrem walisischen Erbe, mit einigen ungeschliffenen, akustischen Lobliedern. Einige Monate später erschien „Futurology“ (2014), auf dem das Trio seine aufpolierte Panorama-Version des Kraftwerk’schen Europe Endless-Themas präsentierte. Im Anschluss an die Veröffentlichungen gingen die Manic Street Preachers mit zwei ihrer Ausnahme-Alben auf Tour, „The Holy Bible“ (1994) und dem Follow-Up „Everything Must Go“ (1996). War Wires Vorhersage möglicherweise doch richtig gewesen? War für die Band tatsächlich der Zeitpunkt für einen würdigen, gemächlichen Abgang gekommen?
Mitnichten. Ein einmaliges Hören von „International Blue„, der ersten Vorab-Auskopplung des 13. Manic Street Preachers-Albums „Resistance Is Futile“ reicht aus, und derartige Gedanken lösen sich unwiederbringlich in Luft auf. Die extrem melodische, zuversichtliche Single, angetrieben von einer großartigen Melodie ist der perfekte Vorbote eines weiteren klassischen Manics-Albums, das weniger ein letzter Versuch zur Kommunikation mit den Massen ist als eine Platte, die maßgeschneidert für große Zusammenkünfte vieler Menschen ist.
Darüber hinaus ist „Resistance Is Futile“ textlich unerwartet offen, die Band bedient sich einer Palette von Emotionen, die man normalerweise nicht automatisch mit ihr in Verbindung bringen würde. Vom kaskadenhaften Anfang des Songs „People Give In“ bis hin zum gebrochenen „The Left Behind“ ist das Werk einer Band, die danach verlangt, gehört und begleitet zu werden, und das bei voller Lautstärke. Es sind Manic Street Preachers-Songs, die für die Bühne geschrieben wurden und im Sonnuntergang gesungen werden sollten, am besten gemeinsam mit vielen anderen.
„Resistance is Futile“ ist das erste Manics-Album, das in ihrem neuen Door To The River-Studio aufgenommen wurde, das am Ende eines Tales in der Nähe von Newport liegt. Die Aufnahmen fanden in Zusammenarbeit mit den langjährigen Kollaborationspartnern Dave Eringa und Chris Lord-Alge statt. Auf „Resistance Is Futile“ präsentieren sich die Manic Street Preachers neu belebt und genießen ihre sich ändernde Umgebung in vollen Zügen. Es finden sich einige Referenzen an die eigene Vergangenheit (mit Anklängen an die chaotischen Ambitionen von „Generation Terrorists“ und die unerbittlichen Melodien, die sich durch „This Is My Truth…“ ziehen), während die Band einen Routenplan für ihren möglichen Weg in die Zukunft aufzeigt.
Obgleich man nicht sonderlich auf die aktuelle Nachrichtenlage fixiert zu sein scheint, befassen sich die Texte der neuen Songs mit ausbeuterische Tech-Firmen, den Auswirkungen des Brexit-Referendums 2016 auf persönliche Beziehungen und die quälende Langeweile, die moderne Parteipolitik bei den Menschen auslöst.
Seine Inspirationen bezieht das Album aus den verschiedensten Quellen. Dazu zählen u.a. der berühmte International Klein Blue-Farbton des französischen Malers, Bildhauers und Performancekünstlers Yves Klein, die Tode berühmter und anonymer Persönlichkeiten (David Bowie und Vivian Maier), die Stadt Liverpool und die vergifteten Beziehung von Dylan und Caitlin Thomas. Oder wie Nicky Wire sagt: „In einer derart zerbrochenen und dysfunktionalen Welt war es uns unmöglich, das Konzept von ‚Kunst als Versteck und Waffe‘ zu vermeiden. Das ganze Album ist geprägt von Begriffen wie Erinnerung, Verlust und Gnade. Oder um Phil Ochs zu zitieren: ‚In solch hässlichen Zeiten ist der einzige wahre Protest die Schönheit‘.“