Dec
14
2019

JIMI HENDRIX: LET’S GROOVE TONIGHT!

Jimi Hendrix Songs For Groovy Children

Mit der Band Of Gypsys rockte JIMI HENDRIX um Silvester 1969 viermal in New York. Jetzt werden die bahnbrechenden Konzerte erstmals komplett veröffentlicht – auf SONGS FOR GROOVY CHILDREN: THE FILLMORE EAST CONCERTS!

Text: Alex Gernandt

Es ist ein Freudenfest für Gitarrenfreaks, Fans und Sammler: Auf SONGS FOR GROOVY CHILDREN: THE FILLMORE EAST CONCERTS sind erstmals komplett alle Songs zu hören, die Jimi Hendrix mit seinen Band-Of-Gypsys-Kollegen Billy Fox (Bass) und Buddy Miles (Drums, Gesang) bei vier Konzerten an zwei Tagen im Fillmore East, jenem legendären New Yorker Live-Club zum Besten gab. Sie sind jetzt zu haben in aufwendig gestalteten Boxsets mit 5 CDs oder 8 LPs. Alle Songs, viele davon bislang unveröffentlicht, wurden von Hendrix-Toningenieur Eddie Kramer neu abgemischt.

DIE 70er – AUF IN EIN NEUES JAHRZEHNT

Die ersten zwei Shows fanden am 31. Dezember 1969 um 20 Uhr und 22.30 Uhr statt, die anderen beiden am 1. Januar 1970. Ein Jahreswechsel, der es wahrlich in sich hatte! Ein Aufbruch in eine neue Dekade! Fans wurden dabei Zeuge, wie ein entfesselter Hendrix auf der Bühne Blues, Funk und Soul mit Rock spielerisch und ganz natürlich miteinander verschmolz und somit ein ganz neues Genre schuf. Man höre dazu besonders neu komponierte, vor Kreativität strotzende, überraschende Stücke wie “Power Of Soul“, “Ezy Ryder“, “Earth Blues“, “Stepping Stone“ und natürlich die fast 14minütige Version von “Machine Gun“, die er neben bereits bekannten Stücken wie “Voodoo Child (Slight Return)“, “Hey Joe“ und “Purple Haze“ brachte.

Jimi! Hendrix! Der Saitenzauberer aus Seattle gehört noch immer zu den außergewöhnlichsten, spektakulärsten und innovativsten Gitarristen der Geschichte, der das Rock-Gitarrenspiel neu definierte und Grenzen sprengte, unübertroffen, eine absolute Ausnahmeerscheinung. Hendrix kann man nur in Superlativa beschreiben. “Wenn Jimi auf der Bühne stand, strahlte ein Licht aus ihm heraus“, sagte Who-Legende Pete Townshend kürzlich bewundernd im Interview mit dem Autor. “Es war ästhetisch einfach schön und faszinierend, ihm beim Spiel zuzusehen.“ Auch Größen wie Eric Clapton, Jimmy Page, Jeff Beck und Carlos Santana blickten zu Hendrix auf. Fast 50 Jahre nach seinem frühen Tod im September 1970 führt “Hexer“ Hendrix noch immer die Liste der “besten Gitarristen aller Zeiten“ an!

Toningenieur und Produzent Eddie Kramer, der SONGS FOR GROOVY CHILDREN neu abmischte, sagt in einem Interview mit dem Autor: “Jimi war ein Jahrhundertgenie. Ein Einzigartiger. Punkt. Für mich war es ein absolutes Privileg, in Gegenwart dieses Ausnahmekünstlers sein zu dürfen, ja, dieselbe Luft zu atmen. Ich übertreibe nicht. Über die Jahre habe ich im Studio mit Led Zeppelin, den Beatles, den Stones, Santana, Joe Cocker, KISS und David Bowie gearbeitet – aber Jimi ist und bleibt eine Klasse für sich. Auch ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod ist er noch immer relevant.“

Doch nicht nur Männer, auch Frauen waren begeistert von dem charismatischen Virtuosen mit der verwegen-verspielten Optik – neben Soulsänger Otis Redding (1941-1967) wurde Jimi Hendrix zum ersten Sexsymbol der schwarzen Musik, auf den auch weiße Frauen standen. Und seine vier Aufsehen erregenden, Energie geladenen Auftritte in New York City um den Jahreswechsel 1969/1970 trugen ebenfalls zu seiner weiteren Legendenbildung bei.

BAND OF GYPSYS EINE KURZE, HEISSE AFFÄRE

Nach der Trennung von Jimi Hendrix’ Experience (Bassist Noel Redding und Schlagzeuger Mitch Mitchell) – musste Jimi nun eine neue Band zusammenstellen, der er den Namen “Band Of Gypsys“ gab. Am Bass: Billy Cox, Jimis langjähriger Freund, den er schon 1962 kennengelernt hatte, während gemeinsamer Militärzeiten in der 101st Airborne Division, Fort Campbell, Kentucky. Billy hatte bereits mit Größen wie Etta James gespielt. Und kurz darauf stieß dann Electric-Flag-Drummer und -Sänger Buddy Miles zur Band, der u.a. mit Jackie Wilson gearbeitet hatte. Beide absolute Könner, die Jimi bei seinen musikalischen Experimenten und Höhenflügen perfekt unterstützen konnten. Dass dieses kongeniale Line-up nur von sehr geringer Dauer sein würde, konnte anfangs niemand ahnen, aber Ende Januar 1970 ging man bereits wieder getrennte Wege. Jimi behielt Bassist Billy an Bord und holte für Buddy nun Drummer Mitch Mitchell zurück, um die Experience-Band neu zu beleben. Doch zuvor, da gab es eben jene vier wahnsinnigen, bahnbrechenden Auftritte im Fillmore East. Ein Stück Rockgeschichte, das Jimi, Billy und Buddy dort an nur zwei Abenden schrieben: Ein Silvesterknaller der besonderen Art!

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FILLMORE EAST DAS “APOLLO“ DES WEISSEN MANNES

Das Fillmore East war der Ostküsten-Ableger des Fillmore West in San Francisco. Der Live-Club an der Ecke 2nd Ave / East 6th Street im East Village in Manhattan (in dessen Gebäude sich heute ein Bankhaus befindet), eröffnete im März 1968. Der Club bot gut 2.600 Zuschauern Platz und renommierten Acts wie hoffnungsvollen Newcomern eine Bühne, darunter The Who, Jefferson Airplane, King Crimson, Blood Sweat & Tears, The Moody Blues, Ike & Tina Turner, Grateful Dead, Steve Miller und Santana. Aufgrund der hochkarätigen Acts wurde er bald auch “Church of Rock and Roll“ oder das “Apollo Theatre des weißen Mannes“ genannt. Besitzer des Ladens war kein Geringerer als der berühmte Konzert-Promoter Bill Graham.

EIN DEUTSCHER FLÜCHTLING HALF HENDRIX!

Neben Hendrix-Entdecker Chas Chandler, ex-Bassist von The Animals, und dem deutschen Konzert-Impresario Fritz Rau, war Bill Graham einer der großen Förderer Jimis. Wo immer es ging, buchte er ihn für Konzerte. Im Oktober 1968 hatte Bill die Jimi Hendrix Experience erstmals nach San Francisco geholt und auftreten lassen. Nach drei gelungenen Konzerten schenkte er Jimi uns seinen beiden Bandmitgliedern einen wertvollen Ring als Zeichen seiner Anerkennung.

Graham war selbst eine sagenumwobene Gestalt mit abenteuerlicher Geschichte! Geboren 1931 als Wolfgang Grajonca, russisch-jüdischer Herkunft, in Berlin-Kreuzberg, wurde er während des Holocaust zum Vollwaisen und musste als Zehnjähriger mutterseelenallein über Frankreich nach Amerika fliehen, wo er in New York von der Hebrew Shelter and Guardian Society of the New York Association for Jewish Children in einem Waisenhaus in Pleasantville untergebracht und im November 1941 von seinem Großonkel, dem Versicherungsvertreter Alfred Ehrenreich und dessen Ehefrau Pearl adoptiert wurde. Von da an wuchs er bei der Familie, zu der auch Stiefbruder Roy gehörte, in der Bronx auf. Die Ehrenreichs päppelten den stark abgemagerten Jungen wieder auf. Im Laufe der Jahre sollte er eine bemerkenswerte Karriere hinlegen, Graham wurde ab Mitte der 60er als Veranstalter und Impresario zu einer der Schlüsselfiguren des amerikanischen Rock’n‘ Roll.

Laut Woodstock-Organisator Michael Lang überhaupt „derjenige, der das Konzert-Business erst erfunden hat“. Bill betrieb ab 1966 das Fillmore West und den Winterland Ballroom in San Francisco und später eröffnete er in New York das Fillmore East. Janis Joplin, Jefferson Airplane, Grateful Dead und Carlos Santana stiegen quasi von seinen Clubs aus zu Superstars auf. Bill veranstaltete Tourneen für Bob Dylan, die Rolling Stones sowie andere Rockgrößen, im Juli 1985 organisierte er den amerikanischen Teil von „Live Aid“ in Philadelphia mit Superstars wie Bob Dylan, Tina Turner, Phil Collins, Mick Jagger, Madonna, Lionel Richie, Led Zeppelin (Reunion), Judas Priest und vielen anderen.

DIE KONZERTE – EINE LIVE-OFFENBARUNG!

Zurück ins Fillmore East. Am ersten Abend von Jimi Hendrix’ Silvester-Konzerten konnte Bill nicht vor Ort sein, da er in San Francisco eine Silvestershow mit Jefferson Airplane und Quicksilver Messenger hatte. Am zweiten Abend zum zweiten Neujahrskonzert aber war er pünktlich zurück. Darauf hatte Jimi bestanden. Denn er legte großen Wert auf das Urteil des Machers, der ihn bisweilen auch durchaus kritisierte. Nämlich dann, wenn Jimi übertrieb mit seinen “stage antics“, wenn er zu wild durchdrehte mit seiner Gitarre und dabei das Spielen vernachlässigte. Dabei war das, was die Fans an Hendrix besonders faszinierte. Welche andere Gitarrero bearbeitete denn bitte die sechs Saiten mit den Zähnen?

Jimi Hendrix war zu jenem Zeitpunkt zwar der höchstbezahlte Musiker der Welt, gleichzeitig aber auch an eine Menge undurchsichtiger Verträge gebunden. Da er einem Label vertraglich noch eine Veröffentlichung schuldig war, wurden damals sechs Songs der Fillmore- East-Konzerte auf einer Platte veröffentlicht: BAND OF GYPSYS von 1970, darauf zu hören: “Who Knows“, “Machine Gun“, “Power To Love“, “Message Of Love“ , “Changes“ und “We Gotta Live Together“ (beide von Buddy Miles). Das Werk, das für die Entwicklung des Funk-Rock maßgeblich war, zählt als Inspirationsquelle für Slash von Guns N’ Roses, Lenny Kravitz oder Vernon Reid von Living Colour. Kritiker schrieben: “Hendrix habe sich nie geerdeter angehört als hier. ,Who Knows’ und ,Machine Gun’ seien die kräftigsten und vielschichtigsten Lieder, die Hendrix jemals veröffentlicht habe.“

“UNSERE LIVEMUSIK IST DAS ZEUGNIS!“

Die vier Auftritte wurden zum Triumphzug für die Band Of Gypsys, die Jungs rockten und groovten wie von einem anderen Stern, die Fans feierten sie frenetisch. Auf jedem Platz im Venue waren vor jeder Show Tambourins platziert worden, damit alle Fans aktiv mitmischen konnten. So einen fulminanten, aufregenden Jahreswechsel hatte sicher noch keiner der Anwesenden erlebt.

Billy Cox, der Bassist und bis heute einzige Überlebende des legendären Trios, erinnert sich: “Jimi hatte sich im Vorfeld Sorgen gemacht wegen der vier Auftritte, aber nach unserer ersten Show um 20 Uhr am Silvesterabend war er guter Dinge. Das Publikum war voll mitgegangen, ich sah von der Bühne aus nur staunende, glückliche Gesichter. Ich konnte erahnen, dass die Fans sowas noch nie zuvor gehört hatten. Besonders ,Machine Gun’ war pure Magie, eine explosive Nummer zu Zeiten des Vietnam-Krieges, der ja noch in vollem Gange war. Jimi, Buddy und ich fühlten uns jedenfalls wie Brüder, wir harmonierten miteinander. Und die Leute im Publikum kamen uns an diesen beiden Abenden auch vor, als seien sie unsere Freunde. Es war wirklich einmalig, ja magisch. Und die Live-Musik, die wir da schufen, bleibt das Zeugnis.“