Mit ROUGH AND ROWDY WAYS hat Bob Dylan soeben sein 39. Album veröffentlicht – mehr als Grund genug, auf sein Werk zurückzuschauen. Im dritten Teil im Fokus ein opulenter Abschluss und eine triumphale Wiederkehr: STREET-LEGAL und TIME OUT OF MIND.
Das Jahr 1978 steht ganz im Zeichen einer großen Welttournee mit insgesamt 114 Konzerten, die Bob Dylan zum ersten Mal in seiner Karriere auch für vier Auftritte nach Deutschland führt. Manch ein Besucher reibt sich verwundert die Augen, als er dort den – wieder einmal – veränderten Dylan sieht: Mit acht Mann starker Begleitband plus drei Background-Sängerinnen und entsprechend großer Show steht da ein Künstler auf der Bühne, der es sich weiterhin nicht nehmen lässt, sein Werk nach Belieben zu variieren und interpretieren.
In diesem Geist entsteht auch STREET-LEGAL, das in einer Pause zwischen dem letzten Konzert in Australien und dem ersten von sieben Auftritten in Los Angeles binnen einer Woche in Santa Monica eingespielt wird. Ähnlich wie die Tournee wartet auch das Album mit einigen musikalischen Neuerungen auf. Neben einem Saxofon bringt Dylan mit dem Frauenchor ein weiteres überraschendes Element ein, das die Platte ab dem ersten Song bestimmt und ihr eine kräftige Brise Gospelspirit mit auf den Weg gibt. Der überragende Opener „Changing Of The Guards“ gibt die Richtung des textlich kaum verschlüsselten und kommunikativen Albums vor, „Baby Stop Crying“ kann nach Dylans Scheidung als Botschaft an sich selbst verstanden werden, das kraftvolle „Señor (Tales of Yankee Power)“ rechnet mit der verworrenen US-Außenpolitik ab. Ein weiterer Höhepunkt ist die intensive Schlussnummer „Where Are You Tonight (Journey Through Dark Heat)“, in der Dylan im Kampf mit seinem Alter Ego – oder wie er es auf Nachfrage zu diesem Song einmal selbst erklärt „seinem inneren Feind“ – große Veränderungen nach dem privaten Chaos der letzten Jahre ankündigt, die ihn kurz darauf zum Christentum konvertieren lassen. STREET-LEGAL ist damit ein autobiografischer Abschluss einer schwierigen Lebensphase, zeigt dabei aber gleichzeitig auch den bei Dylan stets vorhandenen Drang nach künstlerischer Weiterentwicklung auf.
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Mitte der 1990er-Jahre läuft Bob Dylan einmal mehr zu absoluter Höchstform auf und gewinnt dabei auch die Generation MTV für sich. Auf seinem Unplugged-Album, das im November 1994 aufgenommen wird, präsentiert er dreißig Jahre alte Klassiker wie „The Times They Are A-Changing“, „Like A Rolling Stone“ oder „With God On Our Side“ einer neuen Generation und feierte damit weltweit große Erfolge. Mit diesem Rückenwind geht er in die Produktion von TIME OUT OF MIND, das erstmals seit sieben Jahren wieder neue Dylan-Songs unter sein durstendes Publikum streut.
Unterstützt von Produzent Daniel Lanois (U2, Peter Gabriel) entsteht in elf Tagen ein Werk von wahrhaft biblischer Kraft. Mit der Autorität eines alten Bluesmannes singt Dylan über den nahenden Tod, verflossene Liebschaften und Einsamkeit – und das mit einer Intensität, die ihresgleichen sucht.
Als Lanois die Texte zum ersten Mal hört, ist er trotz seiner langjährigen Erfahrung völlig geplättet: „Die Worte waren hart, gingen unter die Haut, waren verzweifelt und einfach stark. Das ist das Album, das ich einfach machen wollte.“ Er setzt die Songs in ein spartanisches und doch höchst eindringliches Klangbett, das mit Dylans Lyrik perfekt harmoniert. Zu den vielen Highlights des Albums gehören der bluesiger Opener „Love Sick“, die bewegende Gospelballade „Standing in the Doorway“ und, wieder einmal, ein extralanges Finale: Das abschließende „Highlands“ erstreckt sich über fast 17 magische Minuten. Fans und Kritiker sind aus dem Häuschen.
TIME OUT OF MIND räumt drei Grammy-Awards ab, darunter für das Album des Jahres, auch in zahlreichen Redaktionspolls belegt die Scheibe Ende 1997 den Spitzenplatz.
Dylan hat sich furios zurück gemeldet – und ein weiteres Mal neu definiert. Auch zahlreiche Kollegen erkennen die außergewöhnliche Qualität seiner neuen Songs: Der Albumtrack „Make You Feel My Love“ wird bald darauf von renommierten Künstlern wie Billy Joel, Garth Brooks und Bryan Ferry gecovert. Elf Jahre nach Dylans Original spielt auch eine britische Newcomerin den Song für ihr Debütalbum ein. Ihr Name: Adele.
Mit seinem 39. Album ROUGH AND ROWDY WAYS ist es ihm ein weiteres Mal gelungen, sich neu zu erfinden – „I Contain Multitudes“. Als Krönung gelang es Bob Dylan erstmals in seiner langen Musikerkarriere mit einem Album Platz Eins der deutschen Album-Charts zu erobern.
Das Beste von Bob Dylan findet ihr in der Top Tracks Playlist:
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