Bescheidene Ankündigungen anlässlich einer neuen Albumveröffentlichungen sind ihre Sache nicht: Mit dem legendären Konzertauftritt der Red Hot Chili Peppers anlässlich der Veröffentlichung von „By The Way“ auf dem Dach eines großen Kaufhauses in Hamburg hatten sich die Zuständigen im Hause Warner Music bereits im Jahre 2002 etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Vier Jahre und ein Album später präsentiert die Plattenfirma mit „Stadium Arcardium“ das neue Album eines ihrer wichtigsten Acts – und wieder in spektakulärem Rahmen. Man hat in das Zelt der Fliegenden Bauten geladen, eine Kultur- und Theaterlocation nahe der Reeperbahn mit einem Fassungsvermögen von 500 Menschen. Perfekt organisiert, entpuppt sich der Abend in der Tat schnell als Event, der Normalsterblichen üblicherweise vorenthalten bleibt. Im VIP-Bereich tummeln sich die Beatsteaks und Die Fantastischen Vier, Reinhold Beckmann huscht vorbei. Konzertveranstalter, Plattenfirmenleute, Manager und Promoter kommen aus dem gegenseitigen Händeschütteln nicht mehr heraus. Dazu werden Erfrischungen und Finger Food gereicht. Und doch dürfen sie dabei sein, die Fans. Bei diversen Verlosungsaktionen hatten Anhänger der Band die Chance, Einladungen zur vergleichsweise intimen Show ihrer Megastars zu gewinnen. So ist die Stimmung dann auch blendend. Die Menge fiebert dem Startschuss der Show entgegen, will die Crossover-Ikonen hautnah erleben. Die Red Hot Chili Peppers wissen um die Erwartungshaltung vor der Bühne ? und strecken ihr die Zunge raus. Los gehts mit einem Gitarrensolo von John Frusciante, energisch jagt der Sound durch das Wah Wah-Pedal. Flea setzt mit treibendem Bassspiel ein. Das Duo betreibt noch ein wenig Soundcheck und optimiert den Bühnensound. Die Jam-Session gipfelt in dem Einstieg in „Can’t Stop“, den ersten von vielen Hits des Abends. Die Menge wird optimal auf den darauf folgenden Track des neuen Albums eingestimmt: Funky und tanzbar wie man es von der Band kennt und liebt, und getragen von Schlagzeuger Chad Smith, der mit einer unglaublichen Coolness jedem Song den erforderlichen Groove verpasst. Die Peppers wirken frisch und scheinen Gefallen an dem intimen Konzert zu finden. Flea klettert zwischen den Songs, gefolgt vom Scheinwerferlicht, wie ein Affe die PA-Traversen hoch, antwortet auf Zwischenrufe aus dem Publikum („Suck My Kiss! Suck My Kiss!“) lapidar mit „Stairway To Heaven! Stairway To Heaven!“. Weiter geht’s mit der „Scar Tissue“ und einem weiteren neuen Track, ebenfalls recht funky und einem Peppers-typischen Singalong-Refrain. Danach wird offenbar spontan ein Basssolo dargeboten – schnell und hektisch, die Leute kapieren nix, rufen aber trotzdem – bevor ein weiteres neues, sehr poppiges und eingängiges Stück folgt, bei dem Flea auf die Boxentürme klettert und Publikumsnähe demonstriert. Sänger Anthony Kiedis wirbelt derweil über die Bühne, als gäbe es kein Morgen. Mit eindeutigen Posen unterstreicht er einmal mehr seinen Ruf als Womanizer mit Waschbrettbauch. Ob das nächste Stück tatsächlich ein Song ist oder nur eine kurze Laune von Bassist Flea, weiß niemand. Er singt, säuselt und zupft den Bass und ruckzuck ist alles vorbei. Mit „Me And My Friends“ wird dann überraschend ein Song von „Uplift Mofo Party Plan aufs Publikum abgefeuert, ein Album, das sich nicht im Regal aller Fans finden dürfte. Großartig, wenn auch für viele etwas verwirrend. Die Wogen werden aber sogleich mit der neuen Single „Dani California“ geglättet. Flea nutzt die folgende kurze Pause für eine Gratulation an Vladimir Klitschko, an alle „for being alive“, bevor er mit „Don’t Forget Me“ zu einem weiteren Song des Albums „By The Way“ ansetzt. Bei der nachfolgenden Soloeinlage John Frusciantes in Form einer Interpretation des Bee Gees-Klassikers „How Deep Is Your Love“ wird einmal mehr deutlich: Diese Band kann und darf alles. Die vier Freunde sind brillant aufeinander eingespielt und geben sich reichlich Raum für Spontaneität und Improvisation. Ein recht hektischer neuer Track, bei dessen stilsicheren Gitarrenspiel und dem Einsatz der Wah Wah-Gitarre verneigt sich einmal mehr vor Jimi Hendrix, bevor nach einer ausufernden Jam-Session von Flea und John die beiden Hits „Californication“ und „By The Way“ das reguläre Set beenden. Die Fans rufen, wollen mehr, und irgendwie rechnet man felsenfest mit „Give It Away“ als abschließender Zugabe. Doch es kommt anders: Mit „Under The Bridge“ und „The Power Of Equalitiy“ beschließen zwei andere unsterbliche Klassiker des Albums „Blood Sugar Sex Magik“ einen äußerst gelungenen Konzertabend. Allen Anwesenden dürfte spätestens jetzt klar geworden sein: Diese Band kann nur gewinnen. Die Peppers gehen auf Nummer sicher, bieten aber auch spontane Einlagen hochgradig professionell dar und bringen sie in Einklang mit Motivation und Spielfreude. Da verliert Schlagzeuger Chad Smith, der Gentleman unter den Drummern, mehrfach einen Drumstick ? macht nichts, der spielt auch mit einer Hand weiter. Da muss John Frusciante an seinem Gitarreneffektboard rumschrauben, irgendwas ist nicht so wie es sein soll ? macht nichts, klingt trotzdem klasse. Die Red Hot Chili Peppers müssen niemandem mehr etwas beweisen. Aber zu zeigen haben sie noch viel. Der perfekte Appetizer für „Stadium Arcadium“.
Apr
26
2006